Judith Skudelny

Positionspapier: "Kunststoffe - Werkstoff der Zukunft"

Die Verwendung von Kunststoffen hat seit ihrer Erfindung um die vorletzte Jahrhundertwende stetig zugenommen. Viele Alltäglichkeiten wie Smartphones, Autos oder Medizin-Produkte wären heute ohne Kunststoffe undenkbar. Diese leichten, robusten, flexibel formbaren und dadurch vielfältig einsetzbaren Materialien sind zudem auch noch sehr günstig. Diese Eigenschaften bringen ökologische wie auch ökonomische Vorteile mit sich, wie Einsparungen bei Transportemissionen durch geringes Gewicht, verbesserte Hygiene oder längere Lebensmittelhaltbarkeit.
Diese auf der einen Seite vorteilhaften Eigenschaften der Kunststoffe gehen unbestreitbar auf der anderen Seite auch mit Nachteilen einher. Kunststoffe werden im Wesentlichen aus fossilen Energieträgern hergestellt. Deren Nutzung soll aus umwelt- und klimaschutzrelevanten Aspekten zukünftig eingeschränkt werden. Biobasierte Kunststoffe könnten an ihre Stelle treten. Allerdings sollten diese aus Reststoffen hergestellt werden, sodass keine Nutzungskonkurrenzen zur Lebensmittelproduktion und zum Naturschutz entstehen. Die Langlebigkeit der Kunststoffe führt dazu, dass diese in der Umwelt nicht oder nur sehr langsam und manchmal unter Freisetzung von Schadstoffen abgebaut werden.
Gerade die Langlebigkeit der Kunststoffe ist problematisch, wenn diese in die Umwelt gelangen. Immer wieder gehen Bilder von strangulierten Meeressäugern oder verhungerten Meeresvögeln mit von bunten Plastikteilen verstopfen Mägen durch die Medien. Neben den großen, sichtbaren Kunststoffen in der Umwelt gibt es noch das sogenannte Mikroplastik. Die Auswirkungen dieser Kunststoffteile (kleiner als fünf Millimeter) auf Organismen sind noch Gegenstand aktueller Forschungen.
Kunststoffe sind nicht nur in unserem Alltag, sondern auch in der Umwelt allgegenwärtig. Das Problem sind jedoch nicht die Kunststoffe, sondern der unbedachte bis verantwortungslose Umgang damit.

Kunststoffe verstehen, nicht verteufeln

In der deutschen Öffentlichkeit ist der Eindruck entstanden, dass Kunststoffe im Hinblick auf ihren Umweltnutzen oftmals die schlechtere Alternative sind. Dieser Eindruck wurde befeuert durch das Verbot von Plastiktüten und Strohhalmen oder die Diskussion um die Nutzung von Glasflaschen statt PET-Pfandflaschen. Diese Diskussion wird leider oft mit gefühlten Wahrheiten statt wissenschaftlichen Erkenntnissen geführt. So zeichnet es sich ab, dass der Ersatz von Plastiktüten an den Ladenkassen durch Papiertüten eine negative Umweltwirkung durch höheren Ressourcenverbrauch hat. Und die Nutzung von Glasflaschen gegenüber Dosen oder PET-Flaschen ist nicht zwingend ökologischer. Das Problem bei der Beurteilung der unterschiedlichen Materialien in ihrer Umweltwirkung ist, dass ein Vergleich oftmals nicht stattfindet. Das Instrument zur Bewertung von beispielsweise Verpackungen sind Ökobilanzen. Die aus einer aktuellen Ökobilanz gewonnen Erkenntnisse müssen zur Grundlage staatlicher Entscheidungen gemacht werden.
Ökobilanzen berücksichtigen auch den rechtlichen und tatsächlichen Rahmen, in welchem bestimmte Stoffe und Produkte genutzt werden. So kann ein Verbot von Plastiktüten in einem Land ohne funktionierendes Entsorgungssystem für Abfälle richtig und wichtig sein, während das gleiche Verbot in einem Land mit Müllsammlung und Recycling zu Ausweichverhalten und negativen Umweltwirkungen führen kann.

Echte Kreislaufwirtschaft braucht Technologieoffenheit und einheitliche Strukturen

In Deutschland, wo es ein hohes Bewusstsein für den Schutz der Umwelt gibt, gelangen Kunststoffe selten in die Umwelt. Durch das etablierte Sammel- und Verwertungssystem werden 53 Prozent energetisch und 47 Prozent stofflich verwertet. Grund für die immer noch großen Mengen an energetisch genutzten Kunststoffabfällen ist die zunehmende Verschmutzung und Vermischung der Materialien. Fast alle Kunststoffe werden mechanisch recycelt. Nur 0,2 Prozent der Abfälle werden stofflich verwertet, wozu auch das chemische Recycling zählt.
Das mechanische Recycling ist dem chemischen Recycling ökonomisch und ökologisch überlegen. Jedoch verkürzen sich die Polymerketten bei jedem mechanischen Recyclingschritt. Die Qualität der Rezyklate nimmt mit jedem Zyklus ab. Um die Qualität zu erhalten, muss Neumaterial beigemischt werden. Auch Verschmutzungen und Zusatzstoffe, die für bestimmte Eigenschaften des Kunststoffes notwendig sind, können beim mechanischen Recycling nicht entfernt werden. Abhilfe könnte das chemische Recycling schaffen. Die so recycelten Kunststoffe sind jedoch nicht auf die Quoten im Verpackungsgesetz anrechenbar (vgl. Definition § 3 Absatz 19 VerpackG) und damit unattraktiver. Wollen wir zu einer echten Kreislaufwirtschaft kommen, braucht es Technologieoffenheit. Der Ausschluss einzelner Methoden mit der Begründung der Unwirtschaftlichkeit ist nicht zielführend. Deshalb engagieren wir Freie Demokraten uns für eine Gleichberechtigung aller Recyclingmethoden (Bundestags-Drucksache 19/22640).
Die sogenannte EU-Plastikabgabe lehnen wir Freie Demokraten ab. Die Lenkungswirkung hin zu weniger nicht-recycelten Kunststoffen in der EU schätzen wir als gering ein, da die Abgabe nicht zweckgebunden ist.
Vielmehr sollten die EU-weiten Recyclingstrukturen gestärkt werden. Dazu braucht es einen Markt für zertifizierte Kunststoff-Rezyklate. Das Ende der Abfalleigenschaft muss klar definiert werden, um die Akzeptanz für diese Sekundärrohstoffe zu fördern.
Durch die verbindlichen Mindestrezyklatmengen in Einwegkunststoff- Getränkeflaschen ab 2025 (Artikel 6 Absatz 5 EU-Einwegkunststoffrichtlinie 2019/904) wird der Bedarf an Kunststoff-Rezyklaten, insbesondere PET, in den kommenden Jahren stark steigen. Die separate Sammlung in Deutschland durch das Pfandsystem auf PET-Flaschen ist weltweit einzigartig. Um ausreichende Rezyklate herzustellen, um die Quoten aus der EU- Einwegkunststoffrichtlinie zu erfüllen, müssen einheitliche Strukturen aufgebaut werden, die eine möglichst sortenreine Sammlung gewährleisten. Je besser die Materialien getrennt werden, desto einfacher und hochwertiger ist das Recycling.

Duale Systeme stärken

Einen wichtigen Beitrag zum Recycling von Verpackungen in Deutschland leisten die Dualen Systeme. Bei jeder in Deutschland erworbenen Verpackung wird deren Entsorgung in einem privatwirtschaftlich organisierten, aber staatlich festgelegten Rahmen beim Kauf bezahlt. So wird gewährleistet, dass die Kosten für die Sammlung, die Sortierung und das Recycling der Rohstoffe getragen werden.
Aufgrund der geringen Rohölpreise der vergangenen Jahre sind die Dualen Systeme jedoch unter finanziellen Druck geraten. Rezyklate konnten am Markt kaum platziert werden, da aufgrund des Handelsstreits der Ölpreis für das Neumaterial auf den Weltmärkten lange weit unter das Erwartbare gefallen war.
Auch kommen stets neue Verpackungsmaterialien auf den Markt, welche die Waren zwar besser schützen, aber neue Herausforderungen für das Recycling mit sich bringen.
Nicht nur Verpackungen müssen künftig so gestaltet werden, dass das Recycling von Anfang an mitgedacht wird, auch die Dualen Systeme müssen solider finanziert werden. Nur so haben die mittelständischen Recycling-Unternehmen die Möglichkeit in neue, moderne Recyclingmethoden zu investieren.

Basler Konvention eine Chance geben

Unsere deutsche Recyclingwirtschaft ist auch deshalb unter öffentlichen Druck geraten, weil immer wieder Bilder von deutschen Kunststoffabfällen beispielsweise an malaysischen Stränden an die Öffentlichkeit gekommen sind. Tatsächlich sind nur geringe Mengen an Kunststoffen in der Vergangenheit exportiert worden - allerdings mit teilweise verheerenden Umweltwirkungen.
Dieses Problem wurde erkannt. Seit dem 01.01.2021 besteht ein Export-Verbot von aus Umweltsicht problematischen gemischten Kunststoffabfällen. Die in der Basler Konvention festgelegte Regelung ist umfassend und ausreichend, um die legalen Exporte von Kunststoffabfällen, die nicht zum Recycling geeignet sind, zu verhindern. Bereits in der Vergangenheit waren es aber gerade die illegalen Exporte, die die größten Umweltauswirkungen hatten. Hier helfen nicht schärfere Regelungen, sondern eine bessere Finanzierung des Zolls und damit eine Stärkung des Vollzugs.

Deponierungsverbot für unbehandelte Siedlungsabfälle EU-weit

Um als Europa mit gutem Beispiel beim Umgang mit Kunststoffabfällen voranzugehen, sollte endlich ein EU-weites Deponierungsverbot für unbehandelte Siedlungsabfälle durchgesetzt werden. In Deutschland gilt dies bereits seit 1. Juni 2005. Kunststoffe, die auf Deponien lagern, gelangen durch Wind und Regen leicht und unkontrolliert in die Umwelt.
Auch in vielen Ländern außerhalb Europas, vor allem im globalen Süden, lagern Kunststoffabfälle auf Deponien und gelangen von dort leicht in die Umwelt. Oft fehlt es zudem an Sammelstrukturen, sodass die Abfälle erst gar nicht zu Deponien transportiert werden, sondern am Ort der Nutzung verbleiben. Hinzu kommt ein mangelndes Bewusstsein für die Problematik und vermeintlich drängendere Alltagsprobleme.

Kunststoffen einen Wert geben

Kunststoffe sind durch die niedrigen Erdölpreise günstig und eine Wiederverwendung deshalb nach der Verwendung unattraktiv. Um das Interesse an diesem Werkstoff nach seiner erstmaligen Verwendung zu stärken, muss ihm ein Wert gegeben werden. Beispiele hierfür sind Projekte wie die Plastic Bank (https://plasticbank.com/about/) oder Unternehmen, die den Menschen in Entwicklungs- und Schwellenländern, in denen besonders viel Kunststoff in die Umwelt gelangt und die finanziellen Möglichkeiten begrenzt sind, eine Chance geben durch die Sammlung von Kunststoffabfällen ein Einkommen zu generieren.
Besonders junge Unternehmen bzw. Start-ups können mit ihren innovativen Ideen einen wichtigen Beitrag leisten. Wir Freie Demokraten wollen ein exzellentes Klima für Gründerinnen und Gründer, eine attraktive Forschungslandschaft und Freiraum für Erfindergeist in Deutschland, um die besten Ideen weltweit zum Einsatz zu bringen – für mehr Wohlstand und Umweltschutz hierzulande und anderswo.

Biokunststoffe - Licht und Schatten

Biokunststoffe werden immer wieder als Alternativen zu konventionellen Kunststoffen ins Gespräch gebracht. Bei der Diskussion über Vor- und Nachteile dieser speziellen Kunststoffe ist eine klare Begriffsdefinition notwendig. Biobasierte Kunststoffe bestehen aus nachwachsenden Rohstoffen und fungieren daher als CO2-Senke.
Bioabbaubare Kunststoffe können sowohl aus biobasierten als auch aus fossilen Ausgangsstoffen hergestellt werden. Diese lassen sich durch biologische Prozesse zu CO2, Wasser und Biomasse abbauen. Bei biobasierten bioabbaubaren Kunststoffen wird so ein Cradle-to-Cradle-Kreislauf geschaffen.
Diese Kunststoffe eignen sich jedoch nicht für alle Anwendungen. Bei langlebigen Produkten wie Wasserleitungen ist eine Zersetzung des Materials kontraproduktiv. Aber auch bei sinnvollen Nutzungsmöglichkeiten sind bioabbaubare Kunststoffe oft nicht erwünscht, beispielsweise bei der Sammlung von Bioabfällen in privaten Haushalten. Bei der Sortierung der Abfälle kann nur schwer zwischen konventionellem und bioabbaubarem Kunststoff unterschieden werden. Daher werden alle nicht eindeutig biologischen Abfälle entfernt. Zudem besteht die Sorge, dass Reste der Kunststoffe im Kompost verbleiben und dessen Wert mindern. Studien zeigen jedoch, dass die Verwertung von Bioabfällen durch bioabbaubare Kunststoffe qualitativ und quantitativ verbessert werden kann. Zudem setzt sich der Abbau der Materialien auch unter natürlichen Umweltbedingungen fort. (vgl. Bundestags-Drucksache 19/30287)
Beim mechanischen Recycling von Kunststoffen jedoch stören die bioabbaubaren Materialien und müssen aussortiert werden. Eine verlässliche Markierung verschiedener Kunststoffmaterialien würde das Recycling vereinfachen. Die Digitalisierung kann einen wichtigen Beitrag dazu leisten.

Eine globale Gesellschaft ohne Kunststoffe ist kaum vorstellbar. Es gibt für viele Anwendungen noch keine besseren Alternativen. Verbote sind deshalb nicht zielführend, weil sie zu Substitutionen führen, die andere Probleme mit sich bringen. Daher sollte der Verbrauch von Kunststoffen nur dort eingeschränkt werden, wo es sinnvoll ist. Das Recycling in Deutschland muss stärker gefördert und finanziell auch aus den Dualen Systemen unterstützt werden. Neue Recyclingmethoden aus Deutschland können weltweit zu weniger Kunststoffen in der Umwelt beitragen und gleichzeitig den Innovationsstandort stärken. Am Ende funktioniert Ressourcenschonung und Umweltbewusstsein nur gemeinsam mit den Verbraucherinnen und Verbrauchern. Durch Aufklärung muss ein Bewusstsein geschaffen werden. Finanzielle Anreize wie Pfandsysteme können dafür einen Beitrag leisten.