Judith Skudelny

Coronamaßnahmen – eine Chronologie von gestern bis heute mit Blick auf morgen

I. Die Geschichte der Corona-Maßnahmen

Ende Januar 2020 wurde das Coronavirus erstmals offiziell in Deutschland registriert. Nachdem die Ausbreitung des Virus rasant Fahrt aufnahm, wurden zum 16.03.2020 in einer nicht-öffentlichen Sondersitzung der damaligen Kanzlerin mit den Länderministern der sog. Lockdown beschlossen.

Auf Basis der Beschlüsse dieser Sitzung erließen die Länder gleiche oder sehr ähnlich lautende Allgemeinverfügungen, also Maßnahmen für ihr jeweiliges Bundesland. Diese Bestimmungen umfassten Maskenpflichten, Ausgangsverbote und Kontaktbeschränkungen sowie das Zurückfahren des öffentlichen und wirtschaftlichen Lebens. Gesetzliche Grundlage für die Bestimmungen der Länder war § 28 Infektionsschutzgesetz.

Mit Inkrafttreten am 27.03.2020 wurde das erste Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite erlassen. Dieses Gesetz bildet die rechtliche Grundlage für deutschlandweite Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie. Auch das zweite und dritte Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage im Mai 2020 und November 2020 legten im Wesentlichen nur bundesweit den administrativen Umgang mit der epidemischen Lage fest. Darin wurden die steuerlichen Erleichterungen der Corona-Prämien ebenso geregelt wie die Kostenübernahme der europäischen Intensivpatienten, die bei uns aufgenommen wurden, oder für die Digitalisierung des Gesundheitswesens.

Grundvoraussetzung für das bundesweit einheitliche administrative Vorgehen (zum Beispiel bei der Kontaktnachverfolgung) war das Feststellen des Bestehens einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite. Erst mit dieser Feststellung durch den Deutschen Bundestag konnten die Maßnahmen des Gesetzes in Deutschland wirksam werden. Diese Feststellung muss immer befristet sein und wurde in den Jahren 2020 bis zum 25.11.2021 immer wieder durch das Parlament verlängert. Allerdings wurde bei diesen Abstimmungen nicht über die Maßnahmen debattiert.

Die FDP hat durchgängig kritisiert, dass die Maßnahmen der Länder zur Einschränkung der Grundrechte der Menschen hinter verschlossenen Türen innerhalb der Ministerpräsidentenrunde mit Frau Merkel erfolgten. Am 03. März 2021 scheiterte die Bundeskanzlerin in den (inoffiziellen) Gesprächen jedoch dabei, noch schärfere Regeln für Gesellschaft und Wirtschaft in Deutschland bundesweit durchzusetzen.

Bis zu diesem Zeitpunkt wurden alle Grundrechtseingriffe im Bereich der Kontaktbeschränkung, Einschränkung der nationalen Reisefreiheit sowie das Herunterfahren des gesellschaftlichen Lebens von den Ländern deutschlandweit und in weitestgehend einheitlichen Maßnahmen beschlossen.

Nachdem über die Maßnahmen zwischen den Ministerpräsidenten und der Kanzlerin keine Einigung gefunden wurde, hat die Kanzlerin das vierte Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage initiiert, welches am 23.04.2021 in Kraft getreten ist. Erstmals wurde mit diesem Gesetz dem Gesundheitsministerium des Bundes die Möglichkeit eingeräumt, ohne Zustimmung des Parlaments tiefe Eingriffe in die Grundrechte der Menschen vorzunehmen: die sogenannte Bundesnotbremse kam zum Zuge.

II. Aufhebung der epidemischen Lage nationaler Tragweite

Die Grundlage der Bundesnotbremse war weiterhin das Feststellen der epidemischen Lage von nationaler Tragweite. Die neue Ampelregierung wollte diese aufgrund der weitreichenden Eingriffsmöglichkeiten des Bundes in die Rechte der Menschen ohne parlamentarische Beteiligung nicht weiter nutzen. Daher hat die neue Ampelregierung die epidemische Lage nationaler Tragweite nicht erneut festgestellt. Das Mitspracherecht für den Umgang mit der Pandemie geht dadurch zurück in die Länder.

Damit war und ist Deutschland aber nicht hilflos im Umgang mit der Pandemie.

Noch vor dem Auslaufen der epidemischen Lage nationaler Tragweite haben die heutigen Ampelpartner ein neues Gesetz „zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes und weiterer Gesetze anlässlich der Aufhebung der Feststellung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite“ auf den Weg gebracht. Damit legen wir Mindeststandards für Deutschland fest.

Dazu gehören Maßnahmen wie die 3G-Pflicht in öffentlichen Verkehrsmitteln oder die Wiedereinführung der Homeoffice-Pflicht. Zudem wird festgelegt, dass die Länder ihrerseits weiterhin alle erforderlichen Maßnahmen ergreifen können, sofern deren Parlamente das Bestehen der epidemischen Notlage feststellen. Damit wird der Umgang mit der Pandemie den regionalen Gegebenheiten angepasst, zugleich werden die demokratischen Rechte der Länderparlamente gestärkt.

Der Ruf nach dem Bund von Ministerpräsident Kretschmann in diesem Zusammenhang ist nachvollziehbar, insbesondere nachdem Sozialminister Lucha (Grüne) bei der Neureglung der Corona-Verordnung des Landes „Chaos“ angerichtet hat (O-Ton Winfried Kretschmann in der  Sitzung am 07.12.2021). Aus Sicht der Freien Demokraten ist es keine Lösung, die Verantwortung wieder an den Bund abzuschieben, vielmehr sollten fähige Länderminister benannt werden.

III. Aktuelle Situation

In der brandaktuellen Debatte müssen wir nun zwischen unterschiedlichen Sachverhalten unterscheiden:

  • dem Schutz vulnerabler Personen und
  • der langfristigen Verhinderung weiterer Corona-Notlagen in Deutschland.

Die aktuelle Überlastung der Intensivstationen ist zum einen bedingt durch den Abbau von Intensivbetten und zum anderen durch die große Zahl an Corona-Erkrankten mit schweren Verläufen, die eine intensive Behandlung benötigen.

So sehr wir es uns wünschen: Eine kurzfristige Lösung für die aktuelle Überlastung wird es nicht geben. Stand Anfang Dezember 2021 werden bis Jahresende rund 26 Millionen Impfdosen für Erst-, Zweit- und Boosterimpfungen zur Verfügung stehen. Die gute Nachricht ist, dass sämtliche Impfdosen verimpft werden und sich viele Menschen, die bislang noch nicht geimpft sind, aufgrund der Debatte um eine verpflichtende Impfung nunmehr freiwillig impfen lassen.

Die schlechte Nachricht ist, dass wir mit den vorhandenen Impfdosen kurzfristig keine ausreichende Immunisierung der Bevölkerung erreichen. Dieses Ziel muss mindestens mittelfristig realisiert werden.

Dennoch stehen wir der Pandemie nicht hilflos gegenüber. Die Belegungszahlen der Krankenhäuser zeigen, dass nach wie vor insbesondere die vulnerablen älteren Menschen und Menschen mit gesundheitlichen Vorbelastungen von den Auswirkungen der Pandemie betroffen sind.

Ein Teil der Begründung, warum es nach wie vor gerade ältere Menschen trifft: ihre Immunantwort fällt trotz Impfung schwächer aus. Gleiches gilt für Menschen, die ohnehin nur über ein schwaches Immunsystem verfügen. Die Erfahrung mit den neuen Impfstoffen zeigt, dass das grundsätzlich nicht mehr so leistungsstarke Immunsystem schwächer auf die vorliegenden Impfstoffe reagiert. Die Wirkung der Impfung ist damit nicht so hoch wie bei jüngeren Menschen, die Dauer der Immunisierung kürzer.

Daher können sich gerade ältere Menschen schlechter selbst vor einer Erkrankung und einem schweren Verlauf schützen.

Neben Kindern und Jugendlichen sind jedoch gerade ältere und gesundheitlich vorbelastete Menschen in besonderer Weise auf die Unterstützung der Gesellschaft und durch andere Menschen angewiesen. Sei es bei der umfassenden Versorgung in einem Pflegeheim, sei es bei der Unterstützung zum eigenständigen Leben zu Hause durch einen Pflegedienst. Diese älteren Menschen können sich oft nicht aussuchen, wer ihnen bei der Bewältigung ihres täglichen Lebens hilft.

Während der Pandemie haben wir gelernt, dass geimpfte Personen für diese Personenkreise ein geringeres Risiko darstellen. Sie sind signifikant weniger Überträger der Krankheit – das Risiko ist nicht gleich Null, aber deutlich reduziert.

Dieser Tatsache wird die Ampel-Koalition nunmehr mit einer verpflichtenden Impfung als Voraussetzung für die Ausübung bestimmter Berufe Rechnung tragen. Eine Corona-Impfung soll für Gesundheitsberufe und in Betreuerberufen für pflegebedürftige Menschen und Menschen mit Behinderung obligatorisch sein. Eine solche Voraussetzung ist im Übrigen nicht neu: Um beispielsweise im Bereich der Kinderbetreuung tätig zu sein, ist eine Masernimpfung schon heute Voraussetzung.

Die Impfung für Menschen im Umgang mit vulnerablen Personengruppen reduziert nur das Risiko dieser pflegebedürftigen Menschen. Es schließt eine Infektion aber nicht aus. Daher kann eine Impfung für Pflege- und Betreuungskräfte auch nur eine Ergänzung zu einer umfassenden Teststrategie sein, kein Ersatz.

Ja, natürlich ist jede neue Voraussetzung für die Ausübung eines Berufs ein Eingriff in die Grundrechte der Personen, die diesen Beruf ausüben. Daher haben wir uns von der FDP-Bundestagsfraktion die Entscheidung nicht einfach gemacht. Wir haben eine interne Expertenanhörung zu diesem Thema durchgeführt, und unsere Fachpolitiker haben sich hinter den Kulissen intensiv mit den Pro- und Contra-Argumenten auseinandergesetzt.

Eines der wichtigsten Gegenargumente war, dass durch die Impfpflicht noch mehr Menschen die Gesundheitsberufe verlassen, vor allem, wenn sie einer Impfung skeptisch gegenüberstehen. Eine weitere Verschärfung des Fachkräftemangels könnte zu erheblichen Versorgungslücken führen. Diese Sorgen sind folglich berechtigt.

Wir als FDP sehen aber dennoch die Notwendigkeit, eine Schutzzone um die vulnerablen Personengruppen zu errichten. Wir hätten es vorgezogen, zunächst mit Anreizen zu arbeiten. Beispielsweise mit einer Prämie für alle geimpften Personen dieser Berufsgruppen – verdient hätten sie diese in jedem Fall. Ein solches Anreizmodell bereits zu GroKo-Zeiten hätte zur Entlastung beigetragen, heute fehlt dafür die Zeit.

Im Ergebnis bestand die Wahl daher darin, die Impfpflicht so wie sie nun vorliegt, einzuführen - oder nichts zu tun. An dieser Stelle sei gesagt, dass wir als FDP auch noch die Verlängerung der Corona-Hilfen für Betriebe in das Gesetz mit einbauen konnten. Und mit dieser Option haben wir beschlossen, die Verpflichtung für eine Impfung als Voraussetzung der Berufsausübung für jene Menschen einzuführen, die in unmittelbarem Kontakt zu vulnerablen Personen stehen.

Diese eingegrenzte Voraussetzung der Berufsausübung bedeutet keine Einführung einer allgemeinen Impfpflicht. Diese Impfpflicht für alle impffähigen Personen in Deutschland wird aktuell in Gesellschaft und Politik diskutiert.

Diese Diskussion ist nach unserer Auffassung eine Gewissensentscheidung (also eine Entscheidung, die aufgrund der Schwere jeder Abgeordnete persönlich treffen muss), bei der unterschiedliche Grund- und Bürgerrechte unterschiedlicher Personen abgewogen werden müssen. Die Diskussion über die allgemeine Impfpflicht wird voraussichtlich Anfang des kommenden Jahres ins Plenum des Deutschen Bundestags getragen werden.

Hierzu werden unterschiedliche Gruppenanträge parteiübergreifend erarbeitet, welche auch die unterschiedlichen Haltungen der Gesellschaft zu diesem Thema widerspiegeln werden. Das Ergebnis dieser Abstimmung soll Eingang in den Krisenstab der Bundesregierung und in das Handeln der Ampel-Koalition im Umgang mit Corona finden.