Judith Skudelny

Newsletter Dezember 2020

Liebe Leserinnen und Leser,

die Bundesländer überbieten sich gegenseitig mit immer härteren Corona-Maßnahmen. In Baden-Württemberg werden wir nach 20:00 Uhr unter Hausarrest gestellt. Ich pflichte unserem Spitzenkandidaten zur Landtagswahl, Dr. Hans-Ulrich Rülke, bei, wenn er kritisiert, dass die Parlamente bei so gravierenden Grundrechtseingriffen nicht eingebunden werden. Was mich am meisten ärgert, ist, dass Ministerpräsident Kretschmann selbst feststellt, dass über 80-jährige Menschen überdurchschnittlich häufig erkranken, bei den jetzt durchsickernden harten Maßnahmen aber keine einzige dabei ist, die diese Personengruppe besonders schützt. Auch mein Newsletter kommt nicht umhin, sich mit den Auswirkungen der Corona-Pandemie zu beschäftigen. Ich gebe Ihnen einen Einblick in die turbulente Abstimmung zum Infektionsschutzgesetz und einen von der Corona-Pandemie gekennzeichneten Bundeshaushalt mit massiver Neuverschuldung. Aber auch das Plastiktütenverbot, die anhaltende Blockade der synthetischen Kraftstoffe und die Reform des Insolvenz- und Sanierungsrechts sind Themen, mit denen ich mich in den letzten Wochen im Bundestag auseinandergesetzt habe.

Ihre

Judith Skudelny

Infektionsschutzgesetz

Corona-Krise: Das neue Infektionsschutzgesetz ist schlecht gemacht

Wie die gesamte FDP-Bundestagsfraktion habe ich im November das neue Infektionsschutzgesetz zur Bekämpfung der Corona-Pandemie voller Überzeugung abgelehnt. Das haben wir nicht getan, um die Virusbekämpfung in Deutschland zu verhindern. Sondern weil das Gesetz erstens der Regierung beim Eingriff in die Grundrechte zu viel Handlungsspielraum gibt und zweitens viel zu unbestimmt ist, um überhaupt sinnvolle Maßnahmen zur Bewältigung der Krise zu bieten.

Die Sondervollmachten für die Regierung widersprechen dem, weshalb ich Parlamentarierin für die FDP im Deutschen Bundestag geworden bin: Ich will mich um wichtige wirtschaftliche und gesellschaftliche Belange kümmern. Ich will Verantwortung übernehmen und meine Verantwortung weder an diese noch an irgendeine künftige Bundesregierung abgeben. Auch und gerade in der Krise muss das Parlament die Maßnahmen der Regierung kontrollieren. Rechtsstaat und Gewaltenteilung sind kein Hindernis, sondern eine Stärke. Der Deutsche Bundestag hat ja im März 2020 unter Beweis gestellt, dass er auch unter Krisenbedingungen jederzeit handlungsfähig ist und wichtige Gesetze auch mit kurzem Vorlauf innerhalb weniger Zeit durchaus verabschieden kann. Die Behauptung, die Krise könne nur die Exekutive bewältigen, ist einfach falsch.

Trotzdem erlassen die Regierungen in Bund und Ländern seit Ausbruch der Pandemie ständig ohne Parlamentszustimmung Verordnungen, die das öffentliche Leben, die Grundrechte und die individuellen Freiheiten einschränken. Ich bin davon überzeugt, dass die Bevölkerung die Maßnahmen noch stärker akzeptieren würde, wenn alle Entscheidungen nachvollziehbar in transparenten Prozessen zustande kämen. Diskussionen und Entscheidungen der Bundeskanzlerin und Ministerpräsidenten finden hinter verschlossenen Türen statt. Am Ende werden die Bürgerinnen und Bürger vor vollendete Tatsachen gestellt. Ich fordere ganz klar, dass die Entscheidungen wieder im Bundestag und in den Landtagen diskutiert und abgestimmt werden. Das Parlament ist der richtige Ort für große gesellschaftliche Debatten!

Obwohl diese Ansicht von großen Teilen der politischen Opposition, Wissenschaftlern und Gerichten geteilt wird, hat die Große Koalition ihren Kurs auch beim Infektionsschutzgesetz beibehalten.

Was besonders schwer wiegt: Das Gesetz der Bundesregierung bestimmt die einzelnen Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung gar nicht näher, sondern zählt sie nur katalogartig auf. Dadurch ist überhaupt nicht ersichtlich, ob es eine Abstufung zwischen den Schutzmaßnahmen gibt und welche zuerst verhängt werden sollen, weil sie weniger als andere in die Grundrechte der Bürgerinnen und Bürgern eingreifen. Die Regierung hat gar nicht versucht zu definieren, welche Maßnahme in welchem Szenario gerechtfertigt ist. Es muss doch klar werden, an welchem Stand der Pandemie welche Gegenmaßnahme ergriffen wird. Kurzum: Das neue Gesetz taugt nicht dazu, flächendeckend das wirtschaftliche und soziale Leben im Land zu regeln.

Die FDP-Bundestagsfraktion hat sich für eine alternative Krisenstrategie eingesetzt. Wir haben einen präzisen Gegenvorschlag in die Beratungen eingebracht, den die Große Koalition leider ignoriert hat.

In unserem Antrag haben wir drei Stadien definiert: eine normale Infektionslage, ein dynamisches Infektionsgeschehen mit einer exponentiellen Ausbreitung des Virus und eine drohende oder akute nationale Gesundheitsnotlage mit der Gefahr einer Überlastung des Gesundheitssystem. In jeder dieser drei Stufen gibt es exakt festgelegte zulässige Gegenmaßnahmen. Dafür ernteten wir sogar ein Lob aus der Fraktion der Grünen, die unseren Antrag für deutlich besser gemacht hielten als den der Bundesregierung – nur um sich dann in der Abstimmung bei unserem Antrag zu enthalten und dem der Regierung zuzustimmen.

Das Gesetz der Bundesregierung enthält außerdem eine Orientierung am 7-Tage-Inzidenzwert, die den unterschiedlichen lokalen Infektionsgeschehen nicht gerecht wird. Oberhalb eines 7-Tage-Inzidenzwertes von 50 pro 100 000 Einwohnern schätzen führende Verfassungsrechtler die Regelung sogar als Blankoscheck für die Bundesregierung ein.

Diese und weitere Mängel des Gesetzes und insbesondere den Umgang der Bundesregierung mit den Rechten des Parlaments kritisieren wir von der FDP-Bundestagsfraktion. Unser Änderungsantrag war eine rechtsstaatliche Alternative. Seien Sie versichert, dass wir uns als FDP auch weiterhin für zielgenaue, ausgewogene und verhältnismäßige Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung einsetzen.

Schulden

Mehr als ein Drittel des Haushalts sind Schulden

179,8 Milliarden Euro. So viel neue Schulden will die Große Koalition im Jahr 2021 aufnehmen. Das haben die Bereinigungsberatungen des Haushaltsausschusses ergeben und so wurde es diese Woche im Deutschen Bundestag mit den Stimmen der Großen Koalition beschlossen. Wobei bereinigen das falsche Wort sein dürfte, denn noch nie wurden innerhalb so weniger Stunden in einer Bereinigungssitzung so viele zusätzliche Schulden beschlossen. Ein trauriger Rekord! Generationengerechtigkeit? Fehlanzeige.

Die Beratungen machten einmal mehr deutlich: Nur die FDP setzt sich im Deutschen Bundestag für einen vernünftigen Einsatz der Steuergelder, weniger Neuverschuldung und spürbare Entlastungen für Bürger und Wirtschaft ein. 527 Einzelanträge hat die FDP insgesamt eingebracht. Das Ziel: ein schlanker und effizienter Haushalt. Wir hätten rund 100 Milliarden Euro weniger an Schulden aufgenommen als nunmehr die Koalition. Und wir hätten nebenbei die Menschen im Land noch um rund 36 Milliarden Euro entlastet.

Unser Entwurf: Baukindergeld und Mütterrente II streichen und die Rente mit 63 durch ein flexibleres Rentenmodell ersetzen. Das allein hätte Einsparungen in Milliardenhöhe bedeutet. Wie Sie es von den Freien Demokraten gewohnt sind, haben wir bei unseren Anträgen den Schwerpunkt auf Zukunftsinvestitionen gelegt. Mit zusätzlichen 967 Millionen Euro wollten wir das Bildungs- und Forschungssystem voranbringen: Elternunabhängiges BAföG, Midlife-Bafög, eine Exzellenzinitiative berufliche Bildung und ein Fonds „Innovation durch Gentechnologie“ wären möglich geworden. 697 Millionen wollten wir in strukturelle Veränderungen des Verkehrsbereichs wie die Digitalisierung der Schiene oder klimafreundliche Innovationen im Luftverkehr investieren.

Statt unsere Sparvorschläge aufzugreifen und das dadurch frei werdende Geld etwa in hochwertige FFP2-Masken zu investieren, machte es sich die Koalition einfach. Der Finanzminister hat keinerlei Ausgaben oder Subventionen gekürzt, um auf die haushaltspolitischen Herausforderungen zu reagieren! Für 2021 plant die Regierung insgesamt Ausgaben von rund 498,6 Milliarden Euro. Das ist nur geringfügig weniger als 2020, als wegen der Pandemie spontan milliardenschwere Hilfsprogramme aufgesetzt wurden. Dass die Regierung diesen Ausgabenkurs auch im kommenden Jahr so ungeniert beibehält, wirft solide Finanzpolitik um Jahre zurück. Die neuen Schulden werden künftige Generationen noch lange abbezahlen müssen.

Wie aufgebläht der Haushalt tatsächlich ist, sieht man nicht zuletzt an den nochmals gesteigerten Ausgaben der Koalition für Dienstreisen, Öffentlichkeitsarbeit und Konferenzen. Ausgerechnet in diesem Bereich während einer Pandemie Rekordausgaben zu veranschlagen, ist für uns in keiner Weise nachvollziehbar. Wir hatten darauf gedrängt, die Ausgaben hierfür massiv zu senken.

Wie schon bei den Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung tritt das Parlament nun auch bei den Finanzen Rechte an die Bundesregierung ab. Der neue Haushalt enthält globale Mehrausgaben in Höhe von 35 Milliarden Euro. Was das bedeutet: Die Ministerien erhalten eine pauschale Ausgabenermächtigung für diese Summe. Der Bundestag verzichtet dabei auf seine Kontroll- und Gestaltungsmöglichkeiten.  Die Regierung erhält komplett freie Hand bei der Verwendung des Betrags. Die Budgethoheit des Parlaments wird mit solchen Entscheidungen zur Farce.

Die Finanzpolitik der Großen Koalition enttäuscht erneut auf ganzer Linie. Wer eine nachhaltige Haushaltsführung anstrebt, die unnötige Schulden vermeidet und die Gelder an den richtigen Stellen einsetzt, um unser Land auf die großen Zukunftsherausforderungen Digitalisierung, Demografie und Klimawandel vorzubereiten, der muss FDP wählen.

Haushalt 2021Rekordschulden

Das Plastiktütenverbot ist Umweltpopulismus

In den letzten Jahren wurde dem Plastik als Umweltverschmutzer der Kampf in Europa angesagt. In Brüssel wurde beispielsweise die Single-Use Plastic Directive erlassen, die bestimmte Produkte, die besonders zur Verschmutzung der Umwelt betragen, verbietet. Auch der Verbrauch an leichten Kunststofftragetaschen soll bis 2025 EU-weit auf 40 Stück pro Kopf und Jahr reduziert werden. Deutschland geht noch einen Schritt weiter und verbietet nun Plastiktüten komplett.

Bereits im Januar 2020 legte Umweltministerin Svenja Schulze einen Gesetzesentwurf zur Änderung des Verpackungsgesetzes vor. Einzige Maßnahme: das Verbot von leichten Plastiktüten, also Kunststofftragetaschen mit einer Wandstärke zwischen 15 µm und 50 µm. Nach den Plänen der Umweltministerin sollen diese ab kommendem Jahr verboten werden, weil ja ökologischere Alternativen vorhanden seien. Ausgenommen vom Verbot sind die sogenannten Hemdchen- oder Metzgerbeutel für Gemüse oder Fleisch, die für den hygienischen Transport von Lebensmitteln notwendig sind. Für sie gibt es bisher keine Alternativen.

Es stimmt, dass Länder wie Ruanda mit dem Verbot von Plastiktüten international Beachtung fanden. Allerdings sieht die Realität, was „Littering“ und Abfallmanagement angeht, in Afrika etwas anders aus als in Deutschland. Die Plastiktüten liegen in Deutschland in den meisten Fällen nicht in der Walachei, sondern werden fachgerecht entsorgt und verwertet.

Nach Angaben des Deutschen Handelsverbands nutzen die Verbraucher lediglich 20 Tüten pro Einwohner und Jahr. Das bedeutet, dass sie schon heute gerade einmal halb so viele Plastiktüten verwenden wie die EU für das Jahr 2025 anstrebt. Dies war durch die freiwillige Verpflichtung des Handels möglich, der mit dem Bundesumweltministerium eine entsprechende Vereinbarung getroffen hatte. Die EU-Vorgaben werden also bereits eingehalten. Aber die Umweltministerin braucht jetzt endlich mal einen symbolischen Politikerfolg. Nach drei Jahren uninspirierter Ankündigungspolitik kommt nun ein Gesetz, dessen Begründung mehr als fadenscheinig ist.

Im Mai 2020 fand eine Anhörung im Umweltausschuss des Deutschen Bundestages zum Plastiktütenverbot statt. Der von mir eingeladene Experte für Ökobilanzen des ifeu- Instituts in Heidelberg, Herr Kauertz, brachte noch einen weiteren gewichtigen Aspekt ins Spiel: Für die Ökobilanz werden alle Bereiche der Produkt-Herstellung, -Nutzung und -Verwertung herangezogen. Dadurch können auch Stellschrauben sichtbar werden, die man zuvor gar nicht auf dem Schirm hatte. Das heißt, man lernt dabei nicht nur, welche Tüten-Option die ökologisch sinnvollste ist, sondern auch, wie das Ganze sogar noch zu verbessern ist.

Weder für die Plastiktüte noch für die viel gepriesenen Alternativen Papiertüte und Baumwollbeutel gibt es Statistiken, geschweige denn Ökobilanzen. Ökobilanzen, die den ökologischen Fußabdruck der Tüten-Optionen über den gesamten Lebenszyklus beleuchten, würden eine wissenschaftliche Grundlage für die Entscheidung liefern, welche Option wirklich die umweltschonendste ist. Aber dagegen wehrt sich das Bundesumweltministerium mit Händen und Füßen. Allein diese Reaktion reicht, um die angebliche ökologische Überlegenheit der Alternativen zur Plastiktüte per se in Frage zu stellen. Die Debatte um das Plastiktütenverbot findet somit ohne jegliche Datengrundlage statt.

Das Bundesumweltministerium scheint das nicht zu interessieren. Die emotional geführte Debatte soll wohl grüne Wähler kurz vor den Landtagswahlen in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg einfangen, die die Umweltministerin ansonsten mit ihrem mageren Erfolgskonto immer weiter von sich wegtreibt. Dafür gibt es ein schönes Wort: Umweltpopulismus!

Die Bundesregierung hat immerhin die Bedenken der FDP-Fraktion hinsichtlich der Restbestände an Plastiktüten aufgenommen. In der Corona Pandemie sind viele Einzelhändler auf ihren Restbeständen sitzen geblieben. Da ist es vielleicht ein kleiner Trost, dass das Verbot erst im Januar 2022 in Kraft tritt, sodass die Bestände noch verkauft werden können.

Tanken

Gegen jegliche Vernunft: Umweltministerin Schulze blockiert e-Fuels weiterhin

Der Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der „Erneuerbaren-Energien-Richtlinie“, auch „RED II“ genannt, ist enttäuschend. RED II sollte zu einem fairen Wettbewerb durch Chancengleichheit zwischen allen zur Verfügung stehenden Technologien der Mobilität beitragen. Stattdessen setzt die Bundesregierung ihren Kurs der einseitigen Förderung der E-Mobilität fort. E-Fuels erhalten weiterhin keine Chance. Damit riskiert sie nicht nur, dass wir unsere Klimaziele verfehlen, sondern nimmt auch den Abbau tausender Arbeitsplätze in der Automobilindustrie in Kauf. Denn mit e-Fuels könnten herkömmliche Verbrenner klimaneutral betrieben werden und blieben als hochentwickelte Technologie erhalten. Nichts ist nachhaltiger, als bereits produzierte Autos weiter zu nutzen und dabei CO2 einzusparen. So schützen wir das Klima und können gleichzeitig Wohlstand garantieren. Dafür müssen wir heute bereits den Grundstein legen. (Weitere Informationen über das Potenzial von e-Fuels und biobasierten Kraftstoffen finden Sie auf meiner Homepage unter https://www.judith-skudelny.de/positionspapier-synthetische-kraftstoffe).

Exkurs: Die RED II ist eine der wichtigsten klimapolitischen Richtlinien der EU. Mit der Richtlinie soll ein verlässlicher Absatzmarkt für besonders klimafreundliche Technologien geschaffen werden, damit diese schnell eine positive Auswirkung auf das Klima entfalten können. Für den Verkehr bedeutet das: Bis 2030 sollen insgesamt 14 % der Kraftstoffe aus erneuerbaren Energien stammen. Der Erfolg wird durch die sogenannte „Treibhausgas-Minderungsquote“ (THG-Minderungsquote) gemessen. Um diese Quote zu erfüllen, können verschiedene Antriebstechnologien genutzt werden, unter anderem bio-und strombasierte Kraftstoffe sowie der batterieelektrische Antrieb. Der Absatzmarkt für die Antriebsstoffe wird durch Ober- und Untergrenzen geschaffen, bis zu welchen die unterschiedlichen Kraftstoffarten auf die Erfüllung der Quote angerechnet werden. Um besonders klimafreundliche Technologien zu fördern, sieht die RED II zudem das Instrument der „Mehrfachanrechnung“ vor, d.h. die Verwendung bestimmter Kraftstoffe wird auf die THG-Minderungsquote mehrfach angerechnet. Hierbei wird E-Mobilität auf der Straße vierfach, fortschrittliche Biokraftstoffe zweifach und e-Fuels lediglich einfach berücksichtigt.

Wir können in RED II keine Spur eines technologieoffenen Ansatzes erkennen: Nach der Einführung der EU-weiten CO2-Flottengrenzwerte und zahlreichen Förderprogrammen, von denen nur die E-Mobilität profitierte, reiht sich die Treibhausgas-Minderungsquote in die Liste der Instrumente ein, die E-Mobilität gegenüber klimafreundlichen Alternativen massiv bevorzugen. Denn E-Mobilität soll im Straßenverkehr vierfach auf die THG-Minderungsquote angerechnet werden. Das bedeutet, dass jede Tonne CO2, die durch E-Mobilität eingespart wird, mit vier Tonnen in die Statistik eingeht. So wird nicht nur die Klimawirkung schöngerechnet. Schlimmer noch: Alternativen wie bio- und strombasierte Kraftstoffe werden auch für Investoren unattraktiv. Sie werden nämlich nur einfach oder maximal zweifach angerechnet. Sie müssen für die gleiche Berücksichtigung bei der THG-Minderungsquote die zwei- bis vierfache Menge an CO2 einsparen. Damit werden bio- und strombasierte Kraftstoffe sowie Wasserstoff am Markthochlauf gehindert. Für einen klimafreundlichen Verkehr und dem Ausbau einer Wasserstoffinfrastruktur sind wir aber auf privatwirtschaftliche Investitionen angewiesen. Ohne Anreize jedoch werden diese Gelder wahrscheinlich in weniger klimafreundliche Technologien oder die E-Mobilität fließen.

Der jetzige Entwurf der nationalen Umsetzung von RED II schafft weder Planungssicherheit für die Unternehmen, noch einen fairen Wettbewerb zwischen verschiedenen Technologien. Wenn wir heute keinen rechtssicheren Grundstein für synthetische Kraftstoffe und den Ausbau einer Wasserstoffinfrastruktur legen, verpasst Europa nicht nur seine Klimaziele, sondern auch den Anschluss an die Entwicklung der Technologien

Ziel der FDP ist eine technologieoffene Mobilität der Zukunft, in der ein fairer Wettbewerb zwischen den Alternativen besteht. Jede Technologie hat ihre Vor- und Nachteile. Getreu dem Motto „Nachhaltigkeit durch Innovation“ sollen Ingenieure effiziente Methoden entwickeln und diese am Markt platzieren, damit wir am Ende für jeden ausgegebenen Euro möglichst viel Klimaschutz bekommen. Dafür muss die einseitige Bevorzugung der E-Mobilität beendet und alle uns zur Verfügung stehenden Technologien gleichgestellt werden. Wir Freie Demokraten fordern zudem Planungssicherheit für investitionswillige Unternehmen, um den Ausbau der Alternativen voranzutreiben. Außerdem bietet die Umsetzung der RED II die Chance, DIN 15940 in das Bundesimmissionsschutz-Gesetz aufzunehmen, um den Verkauf von synthetischen Kraftstoffen rechtssicher zu ermöglichen.

Auch die Industrie- und Umweltverbände haben den jetzigen Entwurf heftig kritisiert. Sogar innerhalb der Bundesregierung regt sich Widerstand aus den Ministerien für Verkehr sowie Wirtschaft und Energie. Die letzte Messe ist hier also noch nicht gelesen. Fakt aber ist: Noch in dieser Legislatur muss die Bundesregierung RED II in nationales Recht umsetzen. Die Frist dazu endet im Juni 2021. Anfang 2021 wird nach Aussage des Umweltministeriums eine im Kabinett abgestimmte Version vorliegen. Wir werden diesen Entwurf genau unter die Lupe nehmen.

Mehr als nur raus aus der Krise

Reform des Sanierungs- und Insolvenzrechts

Im November hat das Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz den langersehnten Entwurf für ein vorinsolvenzliches Sanierungsverfahren in den Bundestag eingebracht. Das Gesetz basiert auf der am 20. Juni 2019 in Kraft getretenen EU-Restrukturierungsrichtlinie. Ihr Kern ist ein präventives Restrukturierungsverfahren. Zweck eines solchen Verfahrens ist es, Unternehmen, die  zahlungsunfähig zu werden drohen, noch vor einer möglichen Insolvenz zu stabilisieren. Das erhält Arbeitsplätze und wahrt gleichzeitig die Interessen der Gläubiger.

Bereits im Juni hatte die FDP-Fraktion einen von mir maßgeblich mitgestalteten Antrag eingebracht, in welchem wir die Eckpunkte und Anforderungen an die nationale Umsetzung der Richtlinie genauer beschrieben hatten. Wir brauchen ein Gesetz, das einfach in der Anwendung ist. Es muss auf kleine und mittelgroße Unternehmen passen und geeignet sein, Unternehmen, die nur aufgrund der Lock-down-Maßnahmen in wirtschaftlichen Schwierigkeiten geraten sind, nach der Corona-Krise wieder auf die Beine zu helfen.

Diesen Anspruch erfüllt das von der Regierung vorgelegte Gesetz nicht. Eine Expertenanhörung im Deutschen Bundestag hat ergeben, dass das geplante Sanierungsverfahren teuer ist. Damit können es sich im Wesentlichen nur große Unternehmen leisten. Für diese besteht allerdings schon seit 2012 ein geeignetes Restrukturierungsverfahren.

Zudem greift das Gesetz tief in die Vertragsfreiheit ein. Künftig soll es möglich sein, Verträge einfach zu beenden, wenn es der Sanierung dient. Damit könnte sich künftig keine Vertragspartei auf die Dauerhaftigkeit geschlossener Verträge verlassen. Experten warnten, dass die Bedeutung eines solchen Eingriffs für die Wirtschaft noch gar nicht vollumfänglich absehbar ist. Sicher ist jedoch bereits jetzt, dass Vertragspartner künftig deutliche höhere Sicherheiten fordern werden. Mögliche Forderungsausfälle werden bereits zu Beginn mit einem höheren Risikozuschlag eingepreist. Start-ups und Firmenexpansionen würden in Folge nur mit deutlich höherem Eigenkapital in Deutschland zu realisieren sein. Neue Firmen wandern dadurch vielleicht sogar ins europäische Ausland ab - ein solcher Vertragseingriff ist in der europäischen Richtlinie nämlich mitnichten vorgesehen.

Als letzter großer Kritikpunkt wurde vorgetragen, dass das Gesetz nicht auf die kommenden „Corona-Patienten“ passt. Das Gesetz zielt auf Unternehmen ab, die drohend zahlungsunfähig sind. Dabei liefert das Gesetz erstmals eine Definition dafür, was „drohend zahlungsunfähig“ bedeutet: Die Zahlungsunfähigkeit darf erst in zwei Jahren eintreten. Die meisten coronageschädigten Unternehmen sind jedoch praktisch bereits jetzt zahlungsunfähig, da der Staat lediglich einen Teil der Fixkosten als Hilfen zahlt und diese oft nur als Darlehen. Für diese Unternehmen fehlt aktuell jede Form von Zukunftsperspektive. In normalen Zeiten könnte das Gesetz ein Anreiz sein, ein Risikomangementsystem einzuführen, um frühzeitig mögliche Krisen zu erkennen und die Ursachen anzugehen. In heutigen Zeiten ist das Gesetz der Bundesregierung für viele Unternehmer jedoch nur eine herbe Enttäuschung.

Das Gesetz steht daher von mehreren Seiten in der Kritik. Verschiedene Bundesländer haben dargelegt, dass eine Umsetzung des Gesetzes in den Ländern ohnehin nicht vor dem 01.04.2021 realistisch ist. Die Große Koalition will allerdings das Gesetz entgegen der Meinung der Experten schnell verabschieden, um Handlungsfähigkeit in der Krise zu beweisen.

Meine persönliche Einschätzung ist: „Lieber kein Gesetz als ein schlechtes Gesetz“! Ich hoffe, die Große Koalition nimmt sich die Zeit, das Gesetz zu verbessern. Und wenn sie es schnell verbessern will, muss sie nur die Anregungen aus dem Antrag der FDP-Bundestagsfraktion umsetzen.